Gewusst, wie...                                                  
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... man einen Cocktail komponiert:


         



Ein klassischer Cocktail ist mitnichten eine phantasievolle Mixtur irgendwelcher Alkoholika, sondern eine

anregende Kompostion nach klassischer Ordnung.

Ein Cocktail soll
* erfrischen
* anregen
* angenehm nach Alkohol schmecken
* gut aussehen
Ein Cocktail MUSS
* EISKALT
sein
! ! !


Es ist die bedeutsamste Tätigkeit des Barkeepers, den Cocktail zu kühlen, ohne ihn zu verwässern.

[Ein Barkeeper gießt bewundernswert schnell und geschickt die einzelnen Spirituosen direkt in den eisgefüllten Shaker,
dem Nicht-Profi ist zu empfehlen, sie zunächst in ein Becherglas zu füllen und erst nach dem Vorbereiten der Gläser aufs Eis zu gießen.]





Wir unterscheiden

Beforedinners BD    -    Mediums MD    -    Afterdinners AD

oder auch (gleichbedeutend)

Martinitype    -     Sourtype    -    Liqueurtype


 

Im Gegensatz zu anderen, auch klassischen Mixgetränken sind
Cocktails Short-Drinks und
nicht
für den Massen-/Mengen-Konsum
gedacht oder gar geeignet!


 Ihre Grundeinheiten sind
Grundlage
die Basis-Spirituose

Geschmackswandler
BD: Kräuterwein   MD: (Zitrus-) Säfte   AD: Liköre

Aromaträger
Süß- und/oder Bitterstoffe


 

Die   Grundlage   ist
das bestimmende Herz eines Cocktails.

Sie wird gebildet von einer starken Spirituose, die ihm den Charakter verleiht:

Gin, Whisky, Rum, Weinbrand, Obstbrand

Da gibt's nichts zu vermischen - Finger weg von jenen geschmacklichen Kakophonien, wo mehrere Spirituosen die Klarheit und Eindeutigkeit des Charakters verhindern!

[0. Wodka]
Nur der Vollständigkeit halber findet Wodka hier Erwähnung, denn wegen seiner reinen Geschmacklosigkeit - abgesehen von der Explosion auf der Zunge - liefert er keinen hinlänglichen Beitrag zur Harmonie eines Cocktails. Um das Zusammenspiel der anderen Zutaten zu erproben, ist er allerdings nicht ungeeignet.

1-- Gin



2-- Whisky



3-- Rum




4-- Weinbrand




5-- Obstbrand




6-- Sonstige







 Der   Geschmackswandler  gibt
dem Cocktail das typische Gepräge

BD 1. Wermut: "Ob Rosso, ob Bianco, ob Dry, ob Amaro..."                               AD 1: Fruchtliköre: Pfirsich-, Aprikosen-, Kirschlikör
BD 2. Aperitif: "Erstmal... Picon" / Dubonnet o.ä.                                                AD 2: Kräuterliköre

Da der Medium-Cocktail den begehrtesten Typ darstellt und die obigen geforderten Eigenschaften am besten verkörpert, werde ich ihn in den Mittelpunkt stellen... Auch hier gilt das Vermengen mehrerer Geschmackswandler als äußerst problematisch und ist eigentlich auszuschließen.

MD-1- Zitronensaft                    MD-2- Orangensaft                    [MD-3- Ananassaft]

Stilecht ist frisch gepresster Saft, aber - horribile dictu, mein Lehrmeister verzeiht mir dies nie: - guter Ersatz aus der Flasche geht auch. Der aus Konserven erhältliche Ananassaft ist zumeist so süß, dass er nur wie Sirup als Aromaträger verwendbar, hier also vernachlässigbar ist.




Der   Aromaträger  verleiht
dem Cocktail den letzten aromatischen Pfiff

Bei den Medium-Cocktails, auf die ich mich zunächst beschränke (zumal ich mich nie für die beiden anderen Typen, Before- & Afterdinner, habe begeistern können), hat der Aromaträger die Aufgabe, durch Süße die Fruchtsäure der Zitrusfrüchte abzumildern und dem Cocktail einen "runden", angenehmen Geschmack zu verleihen. Hier tummeln wir uns bei den Fruchtlikören und -Sirups, wobei für den klassischen Cocktail die Liköre eindeutig zu bevorzugen sind. Sirupe eignen sich eher für Long Drinks, Sektcocktails und natürlich alle Fancy Drinks am tropischen Swimming Pool.

Natürlich kann man einen Fruchtlikör durch (eine geringere Menge) Fruchtsirup ersetzen. Eine besondere Rolle, da häufig eingesetzt, spielt Grenadine, früher der Standardsirup aus Granatäpfeln. Ich bin seinerzeit von allen Sirups abgekommen.

[--0  Zuckersirup]
--1  Zitruslikör (Curacao, Cointreau, GrandMarnier, BlueCuracao)
--2  Aprikosenlikör (ApricotBrandy)
--3  Kirschlikör (CherryBrandy)
--4  Pfirsichlikör (PeachBrandy)
--5  Brombeerlikör
--6  Grenadine
--7  Ananassaft (hier wie Sirup eingesetzt, da aus den Konserven sehr süß)

Wer unbedingt vermischen will, kann das beim Aromaträger eher tun, empfehlen kann ich es nicht. Ja, es gibt sogar Leute, die einem Medium-Cocktail noch einen Pernod aufs Haupt hauen...

Den klassisch verwendeten Zuckersirup habe ich nur zur Vollständigkeit angeführt, weil er einmal nicht so einfach herzustellen und zudem in der Hausbar nur schlecht aufzubewahren ist, zum Zweiten aber trägt er außer Süße keine Aromen bei. Analog zum Wodka oben ist er hilfreich nur beim Ausprobieren der beiden anderen Grundeinheiten.

Grenadine ist heutzutage kein eindeutiges Produkt, sondern wird aus verschiedenen Früchten mit völlig verschiedenen Aromen hergestellt. Allerdings ist er ein beliebter Farbgeber - gerade für Fancydrinks.





Bevor wir im letzten Schritt zu Rezepten und ihrer Systematik kommen, betrachten wir die

 Mengen-Relationen

Jetzt zeigt sich der Komponist, denn es ist unsinnig, sich an starren Mengenangaben festzubeißen, berücksichtigen die doch weder die einzelnen verwendeten Spirituosen noch - und das ist ganz besonders wichtig - die Vorstellungen des Bartenders. Jedes neues Produkt muss gekostet und in die Rezepturen eingebaut werden, und der Barkeeper muss seine "Barflies" ergründen. So variiert er  mit "großen Vierteln" und "kleinen Vierteln", denn

"zwei Viertel sind nicht immer gleich!"

Merke:
Rezepte sind
Richtlinien und Anregungen,
keine Gesetze
!


Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Spirituosen, aber auch die Geschmäcker stark verändert. Zum besseren Verständnis ist eine Schematisierung hilfreich: Man mixt die drei Grundeinheiten auf

Drittel-Basis: 1/3 + 1/3 + 1/3
oder
Viertel-Basis: 2/4 + 1/4 + 1/4
oder
Sechstel-Basis: 3/6 + 2/6 + 1/6
oder gar
 Achtel-Basis: 5/8 + 2/8 + 1/8

Jeder muss für sich selbst den Süßegrad herausfinden, eben das Zusammenspiel erproben. Es lohnt sich, einmal anhand des wohl bekanntesten Medium-Cocktails, des "White Lady", die Unterschiede zu erspüren:

White Lady

Drittel1/3 Gin1/3 Zitronensaft1/3 Curacao
Viertel2/4 Gin1/4 Zitronensaft1/4 Curacao
Sechstel3/6 Gin2/6 Zitronensaft1/6 Curacao
Achtel5/8 Gin2/8 Zitronensaft1/8 Curacao



Nun
"ruft man 'Prosit!' alsogleich,
"Danke" - "Wohl bekomm' es euch!"

probieren    -    erspüren!



Aus diesem Schema folgt die systematische
OpTeMa-Katalogisierung

und dieses Schema organisiert nicht nur die Rezeptsammlung, sondern eröffnet Freiräume für Eigenkompositionen. Der Zusatz "Anmerkung" soll Fußnoten eröffnen, wenn in ein Rezept Besonderheiten über die klassische Kompositionslehre hinaus eingefügt wurden wie spezielle Spirituosen (s. "Blue Lady") oder - horribile dictu -  Mixturen der Grundeinheiten.


Beispiel: 
MD 111-6a "Blue Lady"

KategorieGrundlageGeschmackswandlerAromaträgerRelationAnmerkungName
BD    BeforeDinner

MD   Medium

AD   AfterDinner
0. Wodka

1-- Gin


2-- Whisky


3-- Rum


4-- Weinbrand


5-- Obstbrand


6-- Sonstige

-1- Zitronensaft

-2- Orangensaft

-3- Ananassaft

--0  Zuckersirup

--1  Zitruslikör

--2  Aprikosenlikör

--3  Kirschlikör

--4  Pfirsichlikör 

--5  Brombeerlikör

--6  Grenadine

--7  Ananassaft
-3  Drittel-Basis:

-4  Viertel-Basis:

-6  Sechstel-Basis 

-8 Achtel-Basis:
a: Blauer Curacao




MD 111-6a:

Blue Lady

Weitere Beispiele:

NummerGrundlageGeschmackswandlerAromaträgerRelationAnmerkungName
MD 111-x
MD 112-x
MD 121-x
MD 122-x
MD 311-x
Gin
Gin
Gin
Gin
Rum
Zitronensaft
Zitronensaft
Orangensaft
Orangensaft
Zitronensaft
Curacao
Apricot
Curacao
Apricot
Curacao
optionalWhite Lady
Maiden
Sweet Patootie
Paradise
Madison

Die subjektiven Relationen ergeben sich aus der speziellen Komposition, die in der Literatur gefundene Relation hier zu notieren, ist nicht unzweckmäßig. Nun also

auf zum Sammeln,
auf zum Verkosten,
auf zum Komponieren
!

                                                                                



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Neumünster, 25.07.2023     *      Egbert W Gerlich     *     egbert@ew-gerlich.de