Religion: Im Disput mit Zeugen Jehovas     11.Teil                   

 

"... seine Brüder Jakobus und Joseph und Simon und Judas?
Und seine Schwestern ..."

(Mt 13:55)
(vgl Mt 12:46, Mk 3:31, Joh 2:12 u.a.)

   

Ältere Halbgeschwister oder Verwandte

Dass Josef und Maria gemeinsame (!) Kinder gehabt haben sollen, geht aus der Bibel in keiner Weise hervor - eben auch nicht aus obiger Aufzählung -, da die Griechen bekanntlich nicht zwischen Geschwistern und Halbgeschwistern unterschieden haben. Schon die Septuaginta nennt die vielen Halbbrüder Josephs ganz einfach "adelphoi" = Brüder. Auch wir heute machen üblicherweise einen derartigen Unterschied nicht, wie wir in den "Patchwork-Familien" sehen können - es sei denn, wir wollten gezielt darauf hinweisen. Im griechischen Sprachgebrauch können die Brüder und Schwestern sogar Cousins und Cousinen gewesen sein. Eindeutig sind diese Stellen also keinesfalls; zur Deutung bleiben nur Inspiration und Spekulation.  


Da soll den beiden auserwählten Eheleuten Josef und Maria trotz direkter Einwirkung von Engeln die Größe und Einmaligkeit der Menschwerdung des göttlichen Logos so wenig bewusst gewesen sein, dass sie ohne jede Scheu vor dem Eingriff des Göttlichen zur Tagesordnung übergingen und fröhlich ein halbes Dutzend Kinder in die Welt setzten - solche Kaltschnäuzigkeit mag man zwar unterstellen können, doch aus den Schriften geht das nicht nur nicht hervor, sondern es erscheint eher unwahrscheinlich:

1. Als der Knabe Jesus in Jerusalem verloren geht (Lk 2:42ff), behindern keine noch kleineren (!) Geschwister die tagelange Suche (Lk 2:46). Und ist wirklich die berichtete jährliche Wallfahrt nach Jerusalem (Lk 2:41) mit mehreren Kleinkindern und gar Säuglingen anzunehmen?

2. Wenn nun Maria weitere Söhne gehabt haben sollte, wäre die „Adoption“ des Apostels Johannes unterm Stauros (Joh 19:26f) absolut gegenstandslos, denn selbstverständlich verantwortet der nächste Sohn die Versorgung seiner Mutter. Wo war aber der, wo die anderen drei? Wegen Unglaubens ausgeschlossen aus der gesetzlichen Fürsorge - das ist sehr weit hergeholt; man darf wohl annehmen, der Evangelist Johannes hätte eine solche Besonderheit erklärt, wie er es auch mit der Vorhersage vom Tod des Petrus machte. Hingegen werden die Brüder schon gleich nach der Himmelfahrt Jesu unter den Jüngern erwähnt (Apg 1:14) - eine gar plötzliche Bekehrung hingegen nicht. Und hätte Jesus eine solche wirklich nicht vorhergesehen?

Allein nach diesen beiden Gesichtspunkten wird man weitere Kinder Marias getrost ausschließen können.

  

Jakobus und Judas

Die "Brüder" Jakobus und Judas stießen wohl erst nach der Auferstehung Jesu zu der christlichen Gruppierung in Jerusalem und spielten eine gewichtige Rolle in der Verkündigung des Evangeliums. Es ist sehr plausibel, ihnen den Jakobus- bzw Judas-Brief zuzuerkennen, in denen sich beide vorstellen als "doulos = Knecht" Christi, nicht als Bruder Christi, obwohl ja beide auf eine Autorität als Apostel, die sie ja nicht waren, verzichten mussten:

"Jakobus, Gottes und Herren Jesu Christi Knecht" (Jak 1:1)
"Judas, Jesu Christi Knecht, Bruder aber (!) Jakobi (= des/von Jakobus)" (Jud 1:1)

Nicht "Bruder Jesu Christi"! Judas macht es mit seinem "dè = aber, hingegen" unübersehbar, zwar Bruder des Jakobus, aber eben nicht Jesu, sondern nur Knecht Jesu zu sein. Ihnen war offensichtlich klar, nicht leiblich mit Jesus verwandt zu sein. Wer also nicht bestreitet, dass die Verfasser der beiden Briefe "seine Brüder" gem o.a. Mt 13:55 waren, kann sie logisch nicht als leibliche Brüder Jesu bezeichnen.  

Das "Gottes und Herren Jesu Christi Knecht" des Jakobus ist an anderer Stelle nicht unbedeutend (Zur Trinität). Es sollte auch nicht übersehen werden, dass keiner der beiden sich "Zeuge JHWHs" nennt.

 
Obwohl nicht Apostel, bildete Jakobus mit Petrus und Johannes das Jerusalemer "Dreigestirn" (Gal 2:9) - vielleicht als Nachfolger des Jakobus Zebedäi? Er scheint zunächst rigoros und mit großer Autorität (Gal 2:12) auf der fortdauernden Gültigkeit aller jüdischen Gesetzesvorschriften bestanden zu haben, formulierte dann aber (Apg 15:19), überzeugt von Petrus (Apg 11:3ff, 15:7ff) und Paulus (Apg 15:12), den ersten "Konzilsbeschluss" (Apg 15:19f & 15:28f). Die vermutlichen Kontroversen zwischen Paulus und Jakobus (Gal 2:12, Apg 11:3, 11:18)  geben heute zu weiteren Spekulationen Anlass (s.u.).
 

Der Pflegevater

Wo war Josef? Während des öffentlichen Auftretens Jesu fehlt er vollständig. Weder versucht er, seinen Sohn zu beeinflussen noch sorgt er für seine Ehefrau, was von einem auserwählten Familienversorger doch wohl zu erwarten ist. Dass ihn seine Frau Maria einfach verlassen haben könnte, erscheint angesichts ihrer augenscheinlich unveränderten Ehrwürdigkeit undenkbar.
Oder lebte er schon nicht mehr, war Maria schon verwitwet, wie nicht-biblische Traditionen aussagen? Die alte Überlieferung, wonach ein bereits verwitweter Josef (mit Kindern aus erster Ehe, deshalb Halbgeschwister) eine noch jugendliche Maria heiratete, erscheint recht plausibel. Dafür spricht auch seine großzügige Abgeklärtheit (Mt 1:19ff) bezüglich Marias vermeintlicher Unzucht (immerhin ein Steinigungsgrund!), und es dürfte zudem JHWHs Realitätssinn nicht entgegenstehen, sich zum Schutze seines Sohnes ein „gestandenes Mannsbild“ mit sozial sicherem, wenn auch vielleicht ärmlichen Umfeld (Lk 2:24) ausgesucht zu haben...
Wenn er aber schon gestorben war (immerhin war ja auch Maria zur fraglichen Zeit mit wohl knapp 50 Jahren nicht mehr sehr jung), dann beherrschte sein ältester Sohn die Sippe - war dies Jesus, dann hatten ihm seine jüngeren Brüder zu folgen (wovon wir nichts wissen), war es aber Jakobus aus anderer Ehe, wird das Herum"streunern" von Jesus und Maria erklärlich.


Jungfräulichkeit

Dass Maria weitere Kinder gehabt hat, wird von den Schriften überhaupt nicht belegt, hingegen beschreiben schon sehr frühe (nicht-biblische) Darstellungen in aller Konkretheit das Wunder einer auch nach der Geburt Jesu andauernden unverletzten Jungfräulichkeit Mariens. Die lapidare Feststellung, Josef und Maria hätten in Nazareth Kinder miteinander gehabt - wohl weil sie ein eheliches Geschlechtsleben geführt haben müssen -, entspricht zwar heutigem Zeitgeist, bleibt aber eine simplifizierte, völlig ungesicherte Spekulation, die jegliche elementar-natürliche Gottesfurcht der Eheleute ganz einfach ausschließt.

Das "nicht erkannte er sie, bis sie geboren hatte einen Sohn" (Mt 1:25) sagt über das weitere Eheleben nichts aus, weil das "héoos = bis" lediglich den Betrachtungszeitraum begrenzt. Das weitere ist nämlich in diesem Zusammenhang, eben dem der göttlichen Zeugung, völlig unerheblich; der Evangelist schweigt sich da einfach aus. Wer mag, darf trefflich phantasieren, aber das Bestreben, die einmalige Besonderheit der Jungfrau Maria zu nivellieren und zu negieren, darf nicht zu völlig unbewiesenen Behauptungen führen. Jedenfalls ist Maria ganz zweifelsfrei eine herausgehobene Persönlichkeit der Heilsgeschichte, denn

   

"von jetzt an werden selig preisen mich alle Geschlechter"

(Lk 1:48)


Postscriptum

(Nur zur Vollständigkeit und ausdrücklich nicht kontrovers zu den Zeugen Jehovas)


1. Es gibt keinerlei Hinweise zur oft unterstellten (kinderreichen) Ehe des Rabbi Jesus vor seinem öffentlichen Auftreten, begründet dadurch, dass die Juden ihm sonst vorgehalten hätten, als vorbildlicher jüdischer Rabbi über anderthalb Jahrzehnte keine Kinder gezeugt zu haben - eine solche Diskussion hätten die Evangelisten sicher berichtet. Genauso sicher aber hätten sie von Frau und Kindern berichtet (wie auch von einem für die Mutter sorgenden Vater).

Offenbar galt Jesus richtigerweise gar nicht als „Rabbi“, wenn er auch aus Höflichkeit oft so angesprochen wurde.

Und eine Ehe nach der Auferstehung anzunehmen, ist - nach historischen Maßstäben - einfach grotesk...

  
2. Da gibt es neuerdings Spekulationen, der "Herrenbruder" Jakobus (s.o.), "Marias und Josefs Zweitältester", habe als eigentlicher Nachfolger die christlichen Gemeinden geführt und zwar im judenchristlichen Sinne, also in Beibehaltung aller überlieferten jüdischen Gesetzesvorschriften, und erst nach seiner Hinrichtung (ca. 62, "wie ein Märtyrer") habe sich dann die (heidenchristliche) Auffassung durchsetzen können, das Gesetz sei durch Christus erfüllt. Deshalb wären die Christen ohne den frühen Tod des Jakobus in der jüdischen Gemeinschaft verblieben und das Christentum als kleine Sondergruppierung bald einfach vom Judentum spurlos aufgesogen worden. Jakobus hätte die Trennung, hätte den Marsch in einen paulinischen Antisemitismus aufgehalten!
Dazu müssen nicht-kanonische Schriften zitiert und der Tod des Paulus stillschweigend und ohne Nachweise auf weit nach 70 (der Zerstörung Jerusalems) verschoben werden. Das völlige Einvernehmen auf dem Apostelkonzil, die unbestrittene Führungsposition des Petrus, die Ausbreitung der Kirche nach Osten (leider von keinem Chronisten so ausführlich vermerkt wie die nach Westen), die eindeutige Postionierung gegen den jüdischen Unglauben auch bei Johannes werden einfach übergangen.
Wäre doch nur Jakobus am Leben geblieben, um die Judenhetze eines Paulus zu verhindern!
Obwohl sich das Christentum stets als kontinuierliche Fortsetzung des Judentums gesehen hat, wird Antisemitismus in Negierung der Historie als Folge paulinischer Verkündigung (1.Thess 2:14ff) gesehen. Herhalten muss natürlich auch, "dass Jesus selbst Jude war" - was immer das bedeuten soll.  




 
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Neumünster, 13.12.2009      *      Egbert W Gerlich     *     egbert@tasar-org.de