Religion: Im Disput mit Zeugen Jehovas      7.Teil                    

 

Die bei Jesus Christus angewandte
Kreuzigungsmethode
ist Thema weltweiter Diskussion,
welche im Vorwurf der Heidnisierung mündet. 

     

Der philologische Aspekt

Es steht außer Frage (wenngleich es nicht allgemein bekannt sein dürfte), dass der griechische „stauros“, als welcher das Hinrichtungsinstrument in den Griechischen Schrifte erscheint, zunächst „Pfahl“ (Zaunpfahl, Palisadenstamm u.ä.) bedeutet (ob ursprünglich wirklich sogar nur "Holz" wie "xylon", ist hier völlig unerheblich) - ebenso wie die identische lateinische „crux“, welche als „Kreuz“ Eingang ins Germanische fand. Als „crux“ wurde aber auch schon in sehr früher römischer Zeit (mehrere Jahrhunderte vor u.Z.) ein Marter-/Hinrichtungsinstrument („Marterpfahl“) bezeichnet, dessen Wortstamm sich in Wörtern findet, die mit Marterung, Quälen u.ä. zusammenhängen. Auf jeden Fall bildete den Hauptteil ein Stamm - deshalb der Ausdruck „crux“ -, an welchen der Delinquent zur Hinrichtung befestigt (gebunden, genagelt) wurde. Ganz analog zum Sprachgebrauch der (fröhlich kreuzigenden) Weltmacht Rom wurde das nun in der Weltsprache Griechisch „stauros“ genannt.

 

Im Laufe der Geschichte verschwand die ursprüngliche Bedeutung „Pfahl“ vollständig zugunsten derjenigen zweier sich (zumeist rechtwinklig) schneidender Linien wie Wege, Balken etc. Ins Germanische fand „crux“ als „Kreuz“ nur noch mit dieser jüngeren Bedeutung Eingang, also war da der Bedeutungswandel bereits abgeschlossen. Auch in Neugriechisch und in den romanischen Nachfolgesprachen ist die Ursprungsbedeutung nicht mehr präsent, mit dem Wortstamm „stauros“ / „crux“ / „Kreuz“ werden zumeist auch die Vokabeln „Wegekreuzung“, „sich kreuzen“ etc gebildet. Demgegenüber verfügen Latein und Altgriechisch hierfür über gesonderte Wortstämme; diese Ausdrücke dürften demnach älter sein als der Bedeutungsumschwung bei „stauros“ / „crux“.

 

Auf jeden Fall wurde zu biblischen Zeiten "crux" ins Koine direkt als "stauros" übertragen; andere Bezeichnungen im Zusammenhang mit der Hinrichtungsmethode "Kreuzigung" sind nicht bekannt. Deshalb ist für diese Problematik irrelevant, was "stauros" jemals bedeutet haben mag, sondern allein, was die Römer zu der Zeit unter "crux" etc verstanden. Dieser Ansatz, vom Lateinischen auszugehen anstatt vom Griechischen, mag zwar ungewohnt sein, ist aber logisch, denn die Macht zu kreuzigen lag bei der Herrschermacht Rom, und das lateinische Vokabular wurde ins Koine, das damalige Griechisch, übertragen.

Während aus dem Lateinischen Fachbezeichnungen für Details (u.a. "Patibulum" = Querbalken) nachgewiesen sind, sind entsprechende Koine-Vokabeln nicht überliefert; sie mögen verloren gegangen sein oder nicht gebräuchlich gewesen, zumal diese Hinrichtungsform ja keineswegs griechisch war. Gab es spezielle Bezeichnungen nicht, muss "stauros" eben nicht nur einen Stamm bedeutet haben, sondern das ganze Instrument oder auch nur den Querbalken als ein Einzelteil. Dann aber war die tatsächliche Form der Kreuzigung entweder nicht von Interesse oder aber eindeutig bekannt - beides ist leider gleich wahrscheinlich oder unwahrscheinlich.     

    

    

Der technische Aspekt

Die Form des Hinrichtungsinstrumentes „crux“ ist leider zeitgenössisch weder beschrieben noch abgebildet. Bereits aus dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert ist von Plautus ein Fachausdruck für einen mobilen Querbalken am Stamm überliefert, das „patibulum“. Bei dieser Kreuzigungsform wurden dem Delinquenten ein Träger, eben das Patibulum, auf Schultern und Nacken gelegt und seine ausgebreiteten Arme daran befestigt. So gefesselt wurde er zum Richtplatz geführt, und das Patibulim wurde an einem feststehenden Stamm mit Seilen hinaufgezogen bzw mit Stützstangen hinaufgeschoben und am Kopf des Stammes eingehängt - ggfs nachdem die Arme an das Patibulum genagelt worden waren. Ob auch die Beine angenagelt oder nur angebunden wurden, ist unsicher. 

Aus der Prägung dieses Fachausdruckes folgt, dass im römischen Heer diese Kreuzigungsmethode nicht ungebräuchlich und nicht selten war.

 

Zu anderen Methoden, womit insbesondere der Marter-Pfahl ohne Querbalken gemeint ist, formuliert die berliner Zentrale der Zeugen Jehovas recht vorsichtig: 

"Gemäß einer Äußerung von Seneca aus dem ersten Jahrhundert scheint es verschiedene Formen gegeben zu haben (Dialog 6 20, 3). " 

Diese Vorsicht ist verständlich, äußert sich Seneca doch sehr vage (was wusste er überhaupt aus eigenem Erleben?), und es ist nicht klar, ob er von der Form des Kreuzes spricht oder von der Befestigungsmethode (dazu später in der Literatur). Denn dass andere Kreuzigungsmethoden überhaupt und, wenn ja, wo und wann praktiziert wurden, mag wahrscheinlich sein, bleibt aber unklar. Wenn die römischen Schriftsteller die Gerichtsurteile nur ganz allgemein wiedergeben, dann kann das heißen, die vorgesehene Methode lag im Ermessen der Henker, genauso aber, die Methode war allgemein bekannt und nicht fraglich. Dass aber die disziplinierte Armee ihre Arbeitsweise von regionalen Gebräuchen und Befindlichkeiten abhängig machte, ist weder irgendwie belegt noch sehr wahrscheinlich. 

   

Vorteile hatte die Patibulum-Methode zweifellos an festen Standorten mit eigener, immer wieder genutzter Hinrichtungsstätte wie in der Großstadt Rom, da nicht der schwere Pfahl plus Körper aufgerichtet und im Boden stabil fixiert werden musste, sondern der einmal verankerte Stamm demonstrativ zur Abschreckung aufgerichtet blieb und bei Bedarf nur das leichtere und handlichere Patibulum samt Delinquent aufzuhängen war. Auch brach der ja bereits fürchterlich gequälte Delinquent beim Schleppen des Querbalkens sicher weniger häufig zusammen als unter der Last des Stammes (beides, sowohl die vorherige Geisselung als auch das Tragen der Crux zum Hinrichtungsplatz, wird nirgends bezweifelt). Dazu etwas Physik:

   

Ein 3,5 m langer Stamm von 20 cm Durchmesser hat ein Volumen von 110 ltr,

ein 2 m langer Balken von 10 cm Durchmesser hat ein Volumen von 15 ltr.

   

Ein Einsparen des Patibulums, also das Hochhängen des Delinquenten an einen Marterpfahl, mag dort zweckmäßig gewesen sein, wo ganz mobil und schnell, also ohne lange Vorbereitungen, eine große Anzahl von Hinrichtungen nahezu gleichzeitig vorzunehmen waren. Das könnte bei Massenhinrichtungen auf Feldzügen zutreffend sein, bleibt aber auch Vermutung, da Beschreibungen nicht überliefert sind. So soll Varus 2000 Leute gekreuzigt haben, und manche moderne Historiker schließen daraus, dass nur ein einfacher Pfahl als Kreuz infrage gekommen sein kann. Überlegt man sich aber, wieviel Holzstämme dafür verbraucht würden und wieviele Soldaten auf engem Raum in kurzer Zeit hätten zum Einsatz kommen müssen, drängt sich die Frage auf, ob sich nicht - sofern die Zahl "2000" überhaupt glaubwürdig sein sollte - viel eher die Kreuzigungen über mehrere Tage hingezogen haben und dann natürlich die material- und resourcensparende Patibulum-Methode im "Schichtbetrieb" genutzt wurde. Beide Alternativen sind gleich wenig bestätigt und gleich wenig unlogisch. 

 

Eine Kreuzkonstruktion mit festgefügter Verbindung von Kreuzesstamm und Querbalken, wie sie nahezu alle Darstellungen zeigen, ist weder zeitgenössisch noch archäologisch belegt. Selbst der Kreuzesfund der Kaiserin Helena um 300 n.Chr sagt dazu nichts. Wie auch immer man die Legendenhülle bewerten mag, ist kaum zu bestreiten, dass man der Kaiserin etwas vorgelegt hat, das sie als Kreuz Christi anzunehmen bereit war, denn danach setzte die Kreuzverehrung in beiden Reichshälften ein mit einem generellen Verbot jeglicher Kreuzigung, die also bis ins 3. Jh gegenwärtig gewesen sein muss. 

   

Alle späteren Darstellungen, Beschreibungen und Überlegungen sind also nicht mehr zeitgenössisch und werden in ihrer Aussagekraft je später, desto fragwürdiger. Eine Ausnahme stellt der neuzeitlich-archäologische Fund eines angenagelten Fussknochens auf Golgatha dar, wodurch bewiesen wird, dass zumindest fallweise auch die Füße angenagelt wurden. Es ist ganz wesentlich, alle Überlieferungen zeitlich einzuordnen, um nicht die Glaubwürdigkeit, sondern auch die Bedeutung für weitere Schlüsse werten zu können. 

   

Ebenso unklar bleibt die Aufhängehöhe. Belegt (u.a. von Flavius) sind lediglich Fälle, bei denen sich die Füße des Gekreuzigten etwa in Kopfhöhe des Betrachters oder noch höher befunden haben. Ob man das zur Regel erheben kann, bleibe dahingestellt. So plädieren gerade die Marterpfahl-Apologeten für unwesentlich mehr als Standhöhe (auch dann bleiben für die Hände etwa 2,5m Höhe), was aber bei aller Argumentation auch nur Vermutung bleibt.  

      

Versetzen wir uns in die Situation der Henker, werden wir sehr schnell die Vorteile der Patibulum-Kreuzigung einsehen, zumal die Deliquenten sicher nicht alle sich widerstandslos in ihr Schicksal ergaben. Hatte man im Kasernenhof erst einmal das Patibulum aufgebunden, ging alles weitere (Annageln, Hochhieven) leicht und problemlos vonstatten. Auch an Bäume konnte man das Patibulum samt Körper gut anhängen. Es wird deutlich, wie sehr die Römer auch diese ihrer Methoden ausgefeilt hatten. Das überlieferte Festkreuz scheint keine erkennbaren Vorteile zu haben, und wer sich den einfachen  Pfahl vorstellen will, mag sich die Prozedur ausmalen: Entweder das Annageln in zweieinhalb, drei Metern Höhe (Leitern werdenh nirgendwo erwähnt) oder das Aufstellen von Pfahl plus Körper mit Einsetzen in ein Erdloch und sicherem Fixieren. Die organisatorisch und praktisch sehr begabten Römer wussten sehr genau, was sie taten. 

     

Der Stauros Christi

Die Form des Stauros, an dem Christus hingerichtet wurde, ob allein der Stamm oder dieser mit Patibulum oder gar das Festkreuz, ist nirgendwo beschrieben. Dieser Mangel beweist weder die eine Form „Pfahl ohne Querbalken“ noch die andere „Pfahl mit Querbalken“. Auch eine Wortwahl „xylon“ / „lignum“ (Holz) sagt über die Bauform nichts aus, sondern nur über das Material. Wenn heute ein Reporter den Fußballer „nur Aluminium“ treffen lässt, beweist es ja nun wahrlich nicht das Fehlen der Querlatte am Fußballtor. Leider sind auch Koine-Ausdrücke fürs Patibulum nicht bekannt (für einen sonstigen Querbalken gibt es natürlich wie im Lateinischen eigene Ausdrücke) oder für ein Zweibalken-Kreuz, was die Pfahl-Theorie philologisch stützen würde - uns bleibt nur der „stauros“, den Christus zu schleppen hatte.


Trotz aller Mitverantwortung führender Juden erfolgte Christi Hinrichtung im Rahmen römischen Vollzugs. Weder waren die Juden zu Exekutionen berechtigt, noch sind von ihnen Hinrichtungen am Stauros bekannt, denn das biblische „am Stamm aufhängen“ (5 Mo 21:22f) bezeichnete ausdrücklich und ausschließlich das Aufhängen des Leichnams nach Eintritt des verfahrensbedingten Todes, nicht die Hinrichtung des so Geächteten. Auch dass die mosaischen Juden die zu schändenden Leichname angenagelt hätten, statt einfach anzubinden, ist kaum anzunehmen.

Es ist verwunderlich, dass in der Kreuzes-Diskussion das Wesen der römischen Armee nicht berücksichtigt wird. Sie war zu Christi Zeiten eine gewaltige Militärmaschinerie, gekennzeichnet durch straffe Disziplin und vorbildliche Ordnung, durchgängige Organisation und einheitliche Verfahrensanweisungen, klare Befehlswege und generalisierte Verhaltenweisen. Wer je in einer solchen Armee Dienst getan hat, wird die Vorstellung amüsant finden, das gesamte Hinrichtungsverfahren in den Legionen sei nicht einheitlich gewesen oder habe gar im Gutdünken einer Rotte Legionäre gelegen. 

Es kommt also nur die in der römischen Garnison Jerusalem übliche Methode infrage - ohne jegliche Rücksichtnahme auf welche Befindlichkeiten des beherrschten Volkes auch immer. Diese Methode aber kennen wir im Detail nicht - mit Ausnahme des Annagelns der Hände (Joh 20:25) und der Höhe sehr deutlich über dem Boden (Mt 27:48 u.a.) -, der Spekulation bleiben also Tür und Tor geöffnet. Schwerpunkt bildet die Frage, ob Jesus habe ein Patibulum schleppen müssen (Patibulum-Methode) oder den Stamm (Pfahl-Methode); das Festkreuz wird kaum diskutiert, weil man dann mehr Kreuzesfunde erwarten müsse als die drei der Kaiserin Helena. Und natürlich wäre ein Festkreuz noch voluminöser gewesen und damit noch schwerer. Das schwerwiegendste Argument gegen ein Festkreuz dürfte aber sein, dass das ganze Verfahren ganz einfach unpraktisch gewesen wäre gegenüber dem Patibulum. 

Zu fragen ist auch nach dem Ort der Hinrichtung, nämlich der "Schädelstätte". Hieß er so, weil der Berg/Hügel die Form eines Schädels gehabt habe oder weil es eine Hinrichtungsstätte war - wie in Rom, mit fertig aufgerichteten Kreuzesstämmen? Immerhin zeigt der archäologische Fund, dass auf Golgatha gekreuzigt wurde.


Da wird im Abstand von knapp 2000 Jahren postuliert, da Jesus den Juden "übergeben" worden sei (Joh 19:16), hätten diese auf beschleunigter Durchführung bestanden - als ob sich der kommandierende Centurio (Lk 23:27 u.a.) oder gar sein Chef Pilatus (Joh 19:22) auch nur einen Deut darum geschert hätten - oder die Soldaten, immerhin einer der diszipliniertesten Armeen der Militärgeschichte angehörend, hätten die Aktion schnell hinter sich bringen wollen: Aus beiden Gründen habe Jesu Stauros nur ein Pfahl sein können (woher mag der Postulant wissen, welche die in dieser Situation schnellste Methode gewesen wäre?).

Oder die Übertragung der Last auf den hinzugezogenen Simon (Mk 15:21 u.a.) habe ein Patibulum ganz einfach ausgeschlossen - vermutlich weil ein Losbinden Jesu nicht berichtet wird.

Wie fragwürdig solche Vermutungen sind, zeigt eine weitere Begründung für den Pfahl, dass nämlich für das Tragen des Patibulums die Simon'sche Hilfe nicht erforderlich gewesen wäre. Genauso möglich ist aber die gegenteilige Auslegung, dass nämlich der Kommando-Führer für ein Tragen des Stammes schon vor dem Abmarsch einen Hilfsträger eingeplant und nicht erst unterwegs angeheuert hätte. Dasselbe gilt natürlich für ein Festkeuz. Auch ist davon auszugehen, dass nicht nur Jesus auf den Kreuzweg getrieben wurde, sondern auch die beiden Missetäter, die wohl keine Hilfe benötigten.

   
    

Die weitere Historie

Das nächste Schlaglicht auf die Form des Stauros Christi soll aus der 1.Hälfte des 2.Jh nach Chr der Barnabas-Brief sein, wie die Zeugen Jehovas glaubwürdig anführen, 

"dass die Form des staurós, die eines T gewesen sei"

Zu eruieren ist aber sehr wohl die Begründung des Briefschreibers - verweist er auf Quellen oder argumentiert er rein theologisch; letzteres würde hier nicht weiterhelfen. Aber ganz unabhängig davon und unabhängig vom theologischen Wert oder von der tatsächlichen Urheberschaft ist damit belegt, dass es sehr wohl eine Fragestellung zur Kreuzesform gab - allerdings bereits 100 Jahre nach Jesu Hinrichtung, nicht erst 300 Jahre, wie die Verschwörungsanhänger vorgeben. Der historische Beweiswert ist durch diese 100 Jahre Abstand natürlich begrenzt, aber es ist die älteste Quelle, und es gibt kein antikes Zeugnis für den Pfahl als Stauros Christi. 

   

Gut 50 Jahre später referiert zu diesem Thema der Kirchenschriftsteller Tertullian leider nur theologisch, nicht historisch - für uns jetzt also nur brauchbar als Hinweis auf eine eben noch nicht abgeschlossene theologische Diskussion. Dabei soll nicht übersehen werden, dass zu diesem Zeitpunkt Kreuzigungen noch gängige Praxis waren - und dass das Zwei-Balken-Kreuz sehr wohl aktuell war.

Diese Diskussion ist H.Fuldas Hauptargument (s. Literatur), der Stauros Christi sein ein Pfahl gewesen, denn sonst wäre die Vehemenz der plädierenden Autoren (auch Julian) nicht erklärlich. Doch wissen wir leider überhaupt nicht, über welche Alternativen überhaupt gestritten wurde - vielleicht gerade über das Festkreuz, das ja irgendwie Eingang in die Geschichte gefunden haben muss, wenn wir davon ausgehen wollen, dass es nie Realität war. Dann wären Julian und Tertullian die Erfinder.

  

Aus derselben Zeit stammt eine Katakomben-Kritzelei (es bleibe dahingestellt, ob das im untergegangenen  Pompeji aufgefundene Kreuzsymbol heidnischen Ursprungs ist oder nicht, da nun wirklich nicht beweisbar), in der ein namentlich genannter Christ wegen seines Glaubens an einen gekreuzigten Esel-Gott verspottet wird (man sieht, wie der Glaube an die Kreuzeserlösung für Dummheit gehalten wurde): Ganz unverkennbar wird der Gekreuzigte mit ausgebreiteten Armen an einem Querbalken dargestellt - zumindest in Rom hielt man diese Form also für gegeben.

   

Im dritten Jahrhundert scheint der Zweibalken-Stauros nicht mehr in Frage gestellt worden zu sein. Was um 300 der Kaiserin Helena als archäologischer Fund präsentiert wurde, war offenbar das, was zu diesem Zeitpunkt Wissensstand war, denn sonst hätte die einsetzende Kreuzesverehrung die offenbar längst abgeschlossene Formdiskussion wieder aufleben lassen – zumal zur Zeit der großen theologischen Streitfragen und wo doch Kreuzigungen zunächst noch an der Tagesordnung waren.

Dem seit (damaligem) Menschengedenken überlieferten Kenntnisstand und der letzten Praxis entsprach zweifellos eine Form mit Querbalken:

das Festkreuz oder die Patibulum-Variante

eine spätere Diskussion wäre den Historikern nicht verborgen geblieben. Ein Beweis für die Form des Stauros Christi ist auch das natürlich nicht. Beweisen können die ersten Kreuzigungsdarstellungen aus noch spätereren Zeiten (die erste Abbildung zeigt die drei Delinquenten ohne Kreuze, aber mit ausgebreiteten Armen, danach nur das Festkreuz) dann lediglich die Konstanz der vielleicht fehlerhaften Überlieferung.


Nach anderthalb Jahrtausenden taucht im Zuge der Reformation die „crux simplex“ auf, eben der reine Marterpfahl mit neuem, historisch vorher nicht bekannten Namen –, aber ohne neue Quellen, ohne einen Beweis. Ohne einen solchen ist jedoch jegliches Anzweifeln eindeutiger historischer Überlieferung keineswegs wertvoller als die überlieferte Variante, so wenig bewiesen diese auch sein mag. Die fast immer richtige, aber sehr triviale Begründung, es könne alles auch anders gewesen sein, reicht da einfach nicht aus. Auch eine Spekulation über das „Ansehen des abgefallenen kirchlichen Systems“ hilft überhaupt nicht weiter, sondern desavouiert nur den Autor.

Als nach einschlägiger Verschwörungstheorie angeblich die Gesamtkirche vom Heidentum überrollt und das heidnische „Tau“-Symbol als „Kreuz“ aufgerichtet wurde, war (im Gegensatz zum über Jahrhunderte heiß disktutierten Glaubensbekenntnis) die Form des Kreuzes und der Hinrichtungsmethode überhaupt kein Thema gewesen. Die Möglichkeit eines „crux simplex“ war offensichtlich längst nicht mehr im Bewußtsein verhaftet – zwei, drei Generationen nach den letzten Kreuzigungen. 

Man darf auch nicht übersehen, dass die heidnischen Symbole mit dem lateinischen Kreuz nur die zwei rechtwinklig angeordneten Balken gemeinsam haben - sowohl das ägyptische Henkelkreuz als auch mehr noch das germanische Hakenkreuz unterscheiden sich da doch deutlich.

  

Betont man sehr richtig, dass die Künstler der ersten Kreuzigungsdarstellungen um Jahrhunderte vom Geschehen entfernt gewesen waren und keinerlei persönliche Kenntnisse gehabt hatten, dann darf man aber auch nicht über das weitere Jahrtausend bis zur Reformation fröhlich hinwegsehen und sich kühn auf Abbildungen des 16. und des 19.Jahrhunderts stützen!

 
    

Ergebnis

Es stützen sich also

die „Pfahl“-These auf Mutmaßungen,

die „Patibulum“-These auf spärliche Quellen,

die „Festkreuz“-These auf nicht verfolgbare Überlieferungen

   

Alles nicht sehr befriedigend! Es bleibt dabei, dass auch das in späteren Darstellungen überlieferte Festkreuz nicht bewiesen, ein Anzweifeln also legitim ist. In dieser Thematik überhaupt von "Beweisen" zu sprechen oder auch nur von halbwegs "sicherem Wissen", stellt sich jetzt als recht kühn dar - welche mehr oder weniger plausible Gedanken wer auch immer sich gemacht haben mag. Will man, der historischen Wahrheit zu genügen, die Bezeichnung "Kreuz", da heute anders verstanden, ablehnen, ohne ein "Nicht-Kreuz", den Pfahl, seinerseits beweisen zu können, dann bietet es sich an, wie schon bei „Christos“ und „Logos“ 


den Terminus "Stauros" zu transkribieren, unübersetzt zu übernehmen.

Die Fixierung auf den "Pfahl" ist keineswegs "richtiger" als die aufs "Kreuz"!

   

Aber natürlich steckt dahinter etwas anderes - nicht dieser wenn auch interessante historische Aspekt, sondern der theologische. Auf den komme ich in einem gesonderten Teil zu sprechen, wenn der bisherige historische Teil abgeschlossen ist. Dazu fehlt noch das vollständige, nicht nur oberflächliche Studium der hochinteressanten 359 Fulda-Seiten... 

 

Ach ja, meine persönliche Überzeugung dazu:

1. So umwerfend wichtig ist das alles nicht.

2. Alles andere als das Patibulum-Kreuz ist kaum haltbar.

3. Es lohnt sich, sogenannte "Beweise" zu hinterfragen.   

          

Literatur

mit Interesse gelesen und kritisch bewertet:

1. Schmidt, Paul Wilhelm: "Die Geschichte Jesu", Tübingen 1906

2. Leder, Karl Bruno: "Todesstrafe", Wien-München 1980

3. Fulda, Hermann: "Das Kreuz und die Kreuzigung", Breslau 1878  

                                            weiter           zur Literatur

   

   zurück                                                                                      eMail                                                   weiter
Zu den Laufschriften: Copyright © 1997-99 Thomas Hövel Software - Alle Rechte vorbehalten  http://www.hoevel.de 
Neumünster, 29.11.2009      *      Egbert W Gerlich     *     egbert@tasar-org.de