Religion:
Im Disput mit Zeugen Jehovas 2.Teil
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Die
Neue-Welt-Übersetzung strebt nach hoher Genauigkeit, umso unschöner sind bewusste Abweichungen, welche allerdings regelmäßig angemerkt und erläutert sind.
Die von den Zeugen Jehovas herausgegebene "Neuen-Welt-Übersetzung der Griechischen Schriften" ( = "NW" ) - und nur auf diesen Teil, also das "Neue Testament", beziehen sich meine Ausführungen - ist gekennzeichnet durch das unübersehbaren Bemühen, die Feinheiten griechischer Grammatik und Wortwahl auch in der Übersetzung zum Ausdruck zu bringen. Das hat vielfach zu weit höherer Präzision geführt, als sie sonst allzu häufig geboten wird, und verhindert so manche Fehlinterpretation. Dort, wo von den Handschriften abgewichen werden soll, wird dies regelmäßig in den Anmerkungen ausführlich begründet. Äußerst hilfreich und wirklich bereichernd ist der Anhang, in dem tiefe Einsichten in die Arbeit, aber auch den Glauben der Übersetzer vermittelt werden – allerdings nicht immer zustimmungsfähig, wie noch darzulegen ist. Besonders wertvoll sind die vielen, sorgfältig ausgesuchten Querverweise, die einer Studienbibel würdig sind, wenngleich nicht jeder Hinweis das betreffende Thema trifft. Um so erschreckender ist, wenn von der alten Übersetzer-Regel „so wörtlich wie möglich, so frei wie nötig“ abgewichen wird, weil die präzise Übersetzung der vertretenen Lehre widersprechen könnte. Man will dann dem "Kontext" entsprechend überetzen. Die große Studienausgabe der NW verschweigt diese Abweichungen nicht, sondern begründet sie. Es wird auch keinesfalls versucht, den griechischen Text zu verändern, sondern die Kingdom Linear Translation ( = "KIT" ) bleibt unbeeindruckt wörtlich-korrekt – das ist sehr wohl bemerkenswert. Die KIT hat sich als ausgezeichnetes Hilfsmittel erwiesen. So sind mehrere Übertragungen zu kritisieren, von denen einige in den späteren Kapiteln eine Rolle spielen werden. Einige Beispiele: 1. Eklatantes
Beispiel sind Jesu Worte
beim Abendmahl: Das eindeutige "estin = ist" wird zu "das
bedeutet", was eben nicht mehr als Übersetzung zu bezeichnen
ist, sondern als Interpretation (Zur Transsubstantion) 3. In Joh 16:27 wird aus dem „pará (= seitlich von / besides)“ ein sehr frei interpretierendes „als Vertreter / as representative“, obwohl es nur ein „aus der Umgebung“ bedeutet. 4. In Phil 1:27 wird „politeúein = Bürger sein, als Bürger handeln“ passend zurechtgestutzt. (Zur Kirche Jesu Christi) 5. In Jak 3:9 wird aus einem einfachen „den Herrn und Vater (tòn kýrion kaì patéra)“ ein „Jehova, ja (den) Vater“, um ja jede Göttlichkeit Jesu auszuschließen. 6. Dort, wo Jesus bewusst machtvoll, Gehorsam einfordernd, auftritt im Gegensatz zu bisher Überliefertem, scheinen sich die Übersetzer zurückhalten zu wollen. So betont Jesus in Mt 5:32 das „Ich“ („aber ich sage euch“) mit einem sonst nicht üblichen „egoó“, was man hätte schon hervorheben müssen, zumal es dem erstrebten Gleichklang mit der griechischen Diktion exakt entspräche: "Ich aber, ich sage euch"! 7. Unsauber, aber harmlos ist demgegenüber der Einschub „men“ in der englischen Übersetzung von Joh 1:51 oder das eingeschobene „Nein / No“ in Phil 2:7. 8.
Ausgesprochen fragwürdig wird es, wenn Glaubensinhalte begründet
werden sollen mithilfe grammatikalischer Regeln, welche bei einer
nichtlebenden Sprache wie dem Griechischen ja weitestgehend erst
nachträglich, nach dem Aussterben der Sprache fixiert worden sind. So
wird angestrengt bemüht, das Fehlen
eines unbestimmten Artikels im Griechischen zu
Glaubensaussagen auszunutzen: „ho
theós“ = „der Gott“, „theós“ = „Gott“ oder „ein
Gott“, wobei „ho theós“
= „Jehova, Gott Vater“ sei, „theós“ eben nicht. Bei der wohl
wichtigsten Stelle, nämlich Joh 1:1f (aber auch manchen anderen),
klappt das recht gut, aber schon in Joh 1:6 wird der Mensch
ausgesandt „parà theoû“, also durch „(einen) Gott“. Gem
Joh 1:18 hat „(einen) Gott niemand gesehen“, nämlich „theòn
oudeìs heoóraken“ - gemeint ist aber offensichtlich Gott Vater,
JHWH. Auch
in anderen Stellen lässt der Artikel nur bedingt auf die Bedeutung
des Nomens schließen (zB 2.Tim 1:8&9; Phil 2:7, 11; Hebr 3:12;
Röm 1.7; 2.Kor 1:1 u.a.). 9.
Entsprechendes gilt für für den Gebrauch
des (bestimmten) Artikels
in Aufzählungen nach „kai = und“. Es ist nicht
erforderlich, mit ausgefuchsten Regel-Vorschlägen eine bestimmte
Aussage erzwingen zu wollen, um einer Gleichsetzung von
Vater und Sohn vorzubeugen, die ohnehin niemand will. Ist
der Bezug nicht eindeutig, wird er durch nachträgliche
Regelungsversuche nicht klarer. Tritt noch die Manie hinzu, den Namen
"Jehova" überall einzusetzen, wo er überhaupt passen könnte, um den
Kyrios Christos vom Kyrios JHWH zu unterscheiden (Jak 3:9, s.o.
Nr 5), dann wird nicht mehr übersetzt, sondern erklärt. (Zum Gottesnamen). 10. Das Ersetzen von „Kyrios“ durch „Jehova“ ist grundsätzlich und ausnahmslos zu begrüßen, wo in erhaltenen Texten das Tetragramm steht. Kritisch aber wird es in den Griechischen Schriften, solange keine Inschrift mit Tetragramm überliefert ist und der Zeitpunkt, ab wann die Juden das Tetragramm dann auch nicht mehr schrieben, strittig bleibt. Bis dahin darf man den Namen „Jehova“ nur als Anmerkung hinzufügen und zwar nur so weit, als der Bezug absolut eindeutig ist - sofern man denn die notwendige Zitierfähigkeit und damit eine allgemeine Verwendbarkeit sicherstellen will. (Zum Gottesnamen) Zwar haben die Übersetzer das Problem erkannt und beschrieben, sich aber nicht an ihre eigenen Kriterien gehalten. Die akribische Aufstellung im NW-Anhang 1D besagt leider nicht mehr, als dass frühere neuzeitliche (!) Übersetzer bereits desgleichen gedacht haben, die vielen Fundstellen verweisen nämlich in keinem einzigen Fall auf antike Abschriften, sondern ausschließlich auf andere neuzeitliche Übertragungen. Die Frage, ob „richtig“ oder „falsch“, bleibt dadurch natürlich völlig unberührt. Dieses Verfahren, wenngleich von vielen praktiziert, wirkt eher verschleiernd, da erdrückend. Und da jede Theorie nur auf ihre Falsifizierung wartet (auch die zu einem Eliminieren des Tetragramms), werden, falls sie wirklich zur Grundlage von Übersetzungsarbeiten gemacht wurde, diese leider von vornherein entwertet. 11. Auffallend ist, dass NW im Streben nach größtmöglicher Genauigkeit keinen Unterschied macht zwischen „moicheúein = ehebrechen“ und „moicháein = verführen (zum Ehebruch)“. (Zur Ehescheidung) 12. Dass in ApG 4:27,30 "paìs" in Verbindung mit Jesus (aber auch mit David in 4:25) als "Knecht" statt "Kind, Sohn" übersetzt wird, mag mit der Septuaginta zusammenhängen (benutzt diese wirklich "paìs"?); lobenswert aber ist, dass für "doúlos" in ApG 4:29 dann zur Unterscheidung ein anderer Ausdruck gewählt wird, nämlich "Sklave" statt "Knecht". 13. Warum in Lk 22:19 das "tut dies" zu "tut dies immer wieder" erweitert wird, ist nicht sofort ersichtlich (Zur Transsubstantion). 14.
Sehr
bedauerlich ist, dass die deutsche
NW augenscheinlich nicht primär
aus vorliegenden griechischen Texten hervorgegangen ist, sondern
stur der englischen
Ausgabe folgt. In Mat 5:22 spreche
Jesus von einem „unaussprechlichen Wort / unspeakable word“, im
Griechischen steht dort, deutlich ausgesprochen, „Raká“. Sind
die Übersetzer wohlerzogener als Matthäus? Aber das
schwerwiegendere Schimpfwort „Mooré“ folgt unvermutet nach. So
machen die NW-Übersetzer hier ganz genau dasselbe, was sie - nicht
zu Unrecht! - katholischen Übersetzern vorwerfen, welche sich an die
Vulgata halten (Konzil zu Trient). Nicht wirklich von Bedeutung, aber bei dem hohen Anspruch einfach schade!
15.
Eine weitere Problematik ist die Transskription, wenn im Deutschen eine
einfache Übersetzung nicht hinlänglich möglich ist, weil der Wortsinn
entweder zu komplex oder nicht eindeutig ist. Dass aus "christos" ein
"Christus" wird, ist traditionell geläufig, auch der "Logos" wird mehr
und mehr akzeptiert. Richtig ist es, den "Hades" unübersetzt zu lassen
und die "Gehenna", zumal der lutherische Begriff "Hölle" einmal die
Begriffsunterschiede verwischt und zum zweiten eine Bedeutung
impliziert, welche der gewollten vielleicht nicht entsprechen mag. Trotzdem
bleibt das Bemühen um detailgenaue Übersetzung weitestgehend
erfolgreich - zumal kritische Abweichungen vermerkt sind - und wird
durch den ausführlichen Anhang verstärkt.
Damit hebt sich die NW von vielen marktüblichen
Bibelübersetzungen wohltuend ab und ist - zumal in Verbindung mit
der KIT - eine gute Wahl, sofern man nicht vergisst, dass
sie Gottes Wort offenbar nicht nur übertragen will, sondern
verkünden - gemäß den Vorgaben der Herausgeber!
Die Studienausgabe der
NW in Verbindung mit der KIT ist zweifellos empfehlenswert
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